Montag, 21. August 2017

Yuri on Ice (Anime)



Ein Anime über Eiskunstlauf und obendrein beliebt bei der Yaoi-Fangemeinde? Klingt nach platten Charakteren und viel Fanservice fürs weibliche Publikum. Tatsächlich gehört Yuri on Ice jedoch zu den wohl besten Sportanime überhaupt und überraschte mich auf mehrere Arten.

Yuri Katsuki, seines Zeichens japanischer Finalist bei den Weltmeisterschaften im Eiskunstlauf der Herren und Hauptprotagonist der Serie, ist nicht gerade für sein Selbstvertrauen bekannt. Nachdem er im Finale nach einer miserablen Kür den letzten Platz belegt liegt sein Traum in Trümmern und er beschließt die Profikarriere mit nur 24 Jahren an den Nagel zu hängen. Sein Leben lang blickte er auf zum fünffachen Weltmeister aus Russland: Viktor Nikiforov. In seine Heimat zurückgekehrt wird er von seinen Gefühlen übermannt und läuft dieselbe Kür, wie sie Viktor gezeigt hat. Nur für sich. Ganz allein. Er ahnt jedoch nicht, dass er dabei gefilmt wird. Binnen kürzester Zeit erreicht der Clip rekordverdächtige Klicks und Yuri erhält plötzlich riesige Beachtung innerhalb der Eiskunstlaufwelt. Auch der Choreograph der Kür, Viktor persönlich, bekommt den Hype natürlich mit und das Chaos scheint perfekt, als er eines Tages in Yuris Haus auftaucht und ihm erzählt sein Trainer sein zu wollen.

Es beginnt eine Geschichte, in der Yuri immer wieder mit Selbstzweifel und zahlreichen innerlichen Konflikten konfrontiert wird. Dabei spielen auch seine Gefühle für Viktor eine große Rolle. Der Wettkampf wird immer härter und Yuri muss bis an seine Grenzen gehen um sein Ziel zu erreichen.

Die Serie lebt besonders von ihren Charakteren. Durch die individuellen Eislaufprogramme und die untergelegten Soundtracks werden sie schon allein dadurch stark charakterisiert. Dabei gibt sich der Anime recht professionell und führt auch Außenseiter in die Welt des Eiskunstlaufes ein. Abseits des Eises geht es oft heiter, manchmal aber auch tragisch zur Sache. Trotz der eindeutigen Shonen-Ai Thematik, empfand ich die Szenen zu keiner Zeit als unangenehm. Die Beziehung zwischen Yuri und Viktor ist sehr gut nachvollziehbar und selbst die eindeutigen Fanservice-Elemente passen stets thematisch zur Handlung und wirken nicht als bloßes Feature für das weibliche Publikum.

Besonders gelungen ist die audiovisuelle Präsentation der Serie. Zwar schwankt die Serie zwischen beeindruckend und akzeptabel, doch harmonieren die Bilder stets mit dem hervorragenden Soundtrack und liefern einige wirklich wunderschöne Szenen am Eis, die man so noch nicht gesehen hat. Speziell Opening und Ending haben Ohrwurmgarantie.

Mit seinen zwölf Folgen ist es der Serie natürlich unmöglich jeden Charakter detailliert auszuarbeiten. So fokussiert sich die Story besonders auf den Hauptcharakter Yuri Katsuki. Auch wichtigere Nebenfiguren wie sein Trainer Viktor oder der Rivale Yuri Plisetsky werden in verschiedenen Lichtern dargestellt. Kleinere Figuren bleiben oft einseitig beleuchtet, bieten aber dennoch hin und wieder kleine Andeutungen auf komplexere Charakterentwicklungen. Für einen so kurzen Anime durchaus passend.

Einer der wenigen Kritikpunkte ist eigentlich nur die etwas oberflächliche Behandlung des Themas Homosexualität. Die sexuelle Orientierung der Figuren scheint überhaupt keine Überraschung zu sein und manche Szenen, die eigentlich prädestiniert wären für peinliche Momente, erschienen den nebenstehenden Charakteren vollkommen normal. Es wäre zwar durchaus löblich in einer Welt zu leben, in niemand für seine sexuelle Orientierung schief angeschaut wird, doch wissen wir wohl alle, wie die Wirklichkeit aussieht und so wirkt die Serie manchmal etwas realitätsfern, sofern dies in Bezug auf Anime ein Kritikpunkt sein kann. Gerade im Kontrast zur ansonsten sehr interessant dargestellten Eiskunstlaufwelt. Ich schätze jedoch, dass die kritische Betrachtung von gesellschaftlichen Einstellungen und Akzeptanz von Homosexualität ohnehin keinen Platz in den zwölf Folgen gehabt hätte.


Abschließend kann ich nur sagen, dass der Anime für mich eine gewaltige Überraschung war. Ich hätte nie gedacht, dass mir eine Serie mit eindeutigem Fokus auf Shonen-Ai gefallen könnte, doch Yuri on Ice bewies mir das Gegenteil. Interessante Charaktere, ein grandioser Soundtrack und ein unverbrauchtes Setting machen Yuri on Ice zu einem wirklich tollen Anime. Hätten die Macher mehr Budget für bessere Animationen und mehr Folgen gehabt und hätten sie noch Homosexualität und Akzeptanz in der Gesellschaft thematisiert, wäre aus einen wirklich tollen ein wahrhaft grandioser Anime geworden. So bleibt Yuri on Ice immer noch ein hervorragender Sportanime mit einer ansprechenden Gesamtpräsentation. Wer wie ich über die einseitig gezeigte und klar fürs weibliche Publikum ausgerichtete Thematik hinwegsehen kann, erhält immer noch einen wunderbaren Anime über Selbstzweifel, Motivation, Träume und die Liebe. Denn Yuri’s Geschichte ist weitaus mehr als stumpfer Fanservice und zeigt erneut, dass Anime Geschichten erzählen können, die vielleicht in anderen Medien scheitern würden.

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