Ein Anime über Eiskunstlauf und obendrein beliebt bei der
Yaoi-Fangemeinde? Klingt nach platten Charakteren und viel Fanservice fürs weibliche
Publikum. Tatsächlich gehört Yuri on Ice jedoch zu den wohl besten Sportanime
überhaupt und überraschte mich auf mehrere Arten.
Yuri Katsuki, seines Zeichens japanischer Finalist bei den
Weltmeisterschaften im Eiskunstlauf der Herren und Hauptprotagonist der Serie,
ist nicht gerade für sein Selbstvertrauen bekannt. Nachdem er im Finale nach
einer miserablen Kür den letzten Platz belegt liegt sein Traum in Trümmern und
er beschließt die Profikarriere mit nur 24 Jahren an den Nagel zu hängen. Sein
Leben lang blickte er auf zum fünffachen Weltmeister aus Russland: Viktor
Nikiforov. In seine Heimat zurückgekehrt wird er von seinen Gefühlen übermannt
und läuft dieselbe Kür, wie sie Viktor gezeigt hat. Nur für sich. Ganz allein.
Er ahnt jedoch nicht, dass er dabei gefilmt wird. Binnen kürzester Zeit erreicht
der Clip rekordverdächtige Klicks und Yuri erhält plötzlich riesige Beachtung
innerhalb der Eiskunstlaufwelt. Auch der Choreograph der Kür, Viktor
persönlich, bekommt den Hype natürlich mit und das Chaos scheint perfekt, als
er eines Tages in Yuris Haus auftaucht und ihm erzählt sein Trainer sein zu
wollen.
Es beginnt eine Geschichte, in der Yuri immer wieder mit
Selbstzweifel und zahlreichen innerlichen Konflikten konfrontiert wird. Dabei
spielen auch seine Gefühle für Viktor eine große Rolle. Der Wettkampf wird
immer härter und Yuri muss bis an seine Grenzen gehen um sein Ziel zu erreichen.
Die Serie lebt besonders von ihren Charakteren. Durch die
individuellen Eislaufprogramme und die untergelegten Soundtracks werden sie
schon allein dadurch stark charakterisiert. Dabei gibt sich der Anime recht
professionell und führt auch Außenseiter in die Welt des Eiskunstlaufes ein. Abseits
des Eises geht es oft heiter, manchmal aber auch tragisch zur Sache. Trotz der
eindeutigen Shonen-Ai Thematik, empfand ich die Szenen zu keiner Zeit als
unangenehm. Die Beziehung zwischen Yuri und Viktor ist sehr gut nachvollziehbar
und selbst die eindeutigen Fanservice-Elemente passen stets thematisch zur
Handlung und wirken nicht als bloßes Feature für das weibliche Publikum.
Besonders gelungen ist die audiovisuelle Präsentation der
Serie. Zwar schwankt die Serie zwischen beeindruckend und akzeptabel, doch
harmonieren die Bilder stets mit dem hervorragenden Soundtrack und liefern
einige wirklich wunderschöne Szenen am Eis, die man so noch nicht gesehen hat. Speziell
Opening und Ending haben Ohrwurmgarantie.
Mit seinen zwölf Folgen ist es der Serie natürlich unmöglich
jeden Charakter detailliert auszuarbeiten. So fokussiert sich die Story
besonders auf den Hauptcharakter Yuri Katsuki. Auch wichtigere Nebenfiguren wie
sein Trainer Viktor oder der Rivale Yuri Plisetsky werden in verschiedenen
Lichtern dargestellt. Kleinere Figuren bleiben oft einseitig beleuchtet, bieten
aber dennoch hin und wieder kleine Andeutungen auf komplexere
Charakterentwicklungen. Für einen so kurzen Anime durchaus passend.
Einer der wenigen Kritikpunkte ist eigentlich nur die etwas
oberflächliche Behandlung des Themas Homosexualität. Die sexuelle Orientierung
der Figuren scheint überhaupt keine Überraschung zu sein und manche Szenen, die
eigentlich prädestiniert wären für peinliche Momente, erschienen den nebenstehenden
Charakteren vollkommen normal. Es wäre zwar durchaus löblich in einer Welt zu
leben, in niemand für seine sexuelle Orientierung schief angeschaut wird, doch wissen
wir wohl alle, wie die Wirklichkeit aussieht und so wirkt die Serie manchmal
etwas realitätsfern, sofern dies in Bezug auf Anime ein Kritikpunkt sein kann.
Gerade im Kontrast zur ansonsten sehr interessant dargestellten
Eiskunstlaufwelt. Ich schätze jedoch, dass die kritische Betrachtung von gesellschaftlichen Einstellungen und Akzeptanz von Homosexualität ohnehin keinen Platz in den zwölf Folgen gehabt hätte.
Abschließend kann ich nur sagen, dass der Anime für mich
eine gewaltige Überraschung war. Ich hätte nie gedacht, dass mir eine Serie mit
eindeutigem Fokus auf Shonen-Ai gefallen könnte, doch Yuri on Ice bewies mir
das Gegenteil. Interessante Charaktere, ein grandioser Soundtrack und ein
unverbrauchtes Setting machen Yuri on Ice zu einem wirklich tollen Anime.
Hätten die Macher mehr Budget für bessere Animationen und mehr Folgen gehabt
und hätten sie noch Homosexualität und Akzeptanz in der Gesellschaft thematisiert,
wäre aus einen wirklich tollen ein wahrhaft grandioser Anime geworden. So
bleibt Yuri on Ice immer noch ein hervorragender Sportanime mit einer
ansprechenden Gesamtpräsentation. Wer wie ich über die einseitig gezeigte und
klar fürs weibliche Publikum ausgerichtete Thematik hinwegsehen kann, erhält
immer noch einen wunderbaren Anime über Selbstzweifel, Motivation, Träume und
die Liebe. Denn Yuri’s Geschichte ist weitaus mehr als stumpfer Fanservice und
zeigt erneut, dass Anime Geschichten erzählen können, die vielleicht in anderen Medien scheitern würden.
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