Die Zeichnung am Bildschirm zeigt eine malerische, fast
schon idyllische Zeichnung und langsam mischen sich Farben ins Bild. Die
Umgebung erhellt sich und man findet sich wieder in einer verlassenen
Kleinstadt irgendwo im ländlichen England. Wo sind all die Menschen dieses
Ortes hin? Und wen steuert man überhaupt? Lichtwellen führen mich durch die
Spielwelt und Handlungsfetzen vergangener Ereignisse. Ich lerne Charaktere
kennen, erlebe ihre Geschichte lediglich durch Lichter visualisiert und streife
durch die sanftmelancholische Atmosphäre begleitet von einem Soundtrack, der
mich mit jedem Ton gefangen nimmt. Immer weiter taste ich mich durch die fremde
verlassene Welt und werde von den Emotionen der Figuren mitgerissen. Immer
wieder interagiere ich mit Telefonen oder Radios und schnappe so noch mehr
Informationsfetzen auf. Dabei ist eine Nachricht kryptischer, als die andere.
Erst langsam offenbaren sich mir die Zusammengänge und ich erkenne die ganze
Spannweite der Story. Die Welt saugt mich immer tiefer in eine Atmosphäre an
der ich unwillkürlich an Mörikes Septembermorgen denken muss. Wie moderne
Dichter füllen die Entwickler von „thechineseroom“ ihre wunderschöne Welt mit
ebenso einfachen wie ergreifenden Geschichten und einem Soundtrack, der die
Erhabenheit der Natur fast schon greifbar macht. Wenn ich durch den dichten
Blätterwald auf den verwachsenen Pfaden entlanglaufe, lediglich erhellt durch
die schwachen Strahlen der Nachmittagssonne, spüre ich förmlich den Wind, der
mich umschmeichelt. Es geht nicht darum ein Ziel zu erfüllen Vielmehr entdecke
ich immer mehr in der frei begehbaren Welt. Bis ich schlussendlich im
deutungsoffenen Ende sprachlos zurückbleibe.
Ja Everybody’s Gone To The Rapture ist ein ganz spezielles
Spiel, das durch ein normales „Review“ niemals erfasst werden kann. Man hat
meistens nicht das Gefühl ein Videospiel zu spielen. Stattdessen fühlt man sich
inmitten eines Werkes der großen Naturlyriker versetzt. Wesentlich dazu bei
trägt die wunderschöne Optik der CryEngine und natürlich der famose Soundtrack,
den ich ohne Frage zu den besten Scores in der Videospielgeschichte zählen
würde. Das Gameplay selbst ist eigentlich so einfach, dass es keiner weiteren
Erwähnung genügt. Doch gerade in dieser Einfachheit liegt die Möglichkeit deshalb
verstärkt in die Welt einzutauchen. Ich brauche mir keine Sorgen zu machen,
dass ich etwas nicht schaffe, oder dass ich die aktuelle Aufgabe erfüllen muss.
Stattdessen wandere ich einfach nur durch dieses philosophische Meisterwerk.
Fazit: Klar, Everybody’s Gone To The Rapture ist nichts für
Leute die komplexes Gameplay mögen und nicht darauf verzichten können. Wer
jedoch einmal Abwechslung von Killstreaks, Ranglisten und Herausforderung
sucht, wird hier fündig werden. Die Geschichte ist einfach, aber grandios
erzählt. Sowohl von den guten deutschen, als auch von den überragenden
englischen Sprechern. Die Optik und der Soundtrack sind wunderschön. Die
Entwickler haben hier etwas erschaffen, das sich nahtlos an zeitlose Klassiker
wie Journey fügt. Meiner Meinung nach ist der Titel weniger Videospiel, als
vielmehr feinste Bildlyrik in Videospielform. Ein Kunstwerk, das eindrucksvoll
beweist, dass das Medium Videospiele zu weitaus mehr fähig ist, als ihm von
vielen Kritikern immer zugesprochen wird.
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